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Wir lieben unsere Kunden… Die Telekom und das funktional kaputte Internet

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Ich habe lange überlegt, ob ich auch einen Blogeintrag zu den Drosselplänen der Telekom schreiben soll. Nach der allzu kompetenten Debatte im Bundestag von unseren rechtsstaatlichen Bediensteten, habe ich mich dazu entschlossen, dies auch zu tun.

Was ist eigentlich passiert und warum lohnt es sich, zu diesem Thema diesen gefühlten 1000sten Beitrag zu schreiben? Im April diesen Jahres entschloss sich die Telekom, eine Drossel bei Flatrates für Neukunden vertraglich festzusetzten. Somit sollen ab 2016 nach einem bestimmten Downloadvolumen (je nach Vertrag unterschiedlich) die Downloadgeschwindigkeit der DSL Leitung auf 384 kBit/s gedrosselt werden. Die Telekom gibt als Begründung das stetig wachsende Transfervolumen an, welches ein Ausbau der Netze notwendig mache. 80 Milliarden Euro sind nötig, um die Hausanschlüsse zu erweitern, damit das Netz für die Zukunft gerüstet sei. Unabhängig davon entstünde bei den Backbones ein Engpass, welche Benutzer mit hohen Datenvolumen verschärfen würden.

Im ersten Moment und für Oma Erna aus dem dritten Stock klingt das plausibel. Da verbraucht einer viel „irgendwas“ – also muss derjenige auch gebremst werden. Bei dem Vergleich des Telekomchefs mit dem laufenden Wasserhahn hätte ich Tränen gelacht, wenn das Ganze nicht so traurig wäre. Die Begründungen sind nämlich vollkommen aus der Luft gegriffen und grenzen schon an Täuschung. Der Telekom, oder wie der Chaos Computer Club in seiner Chaosradiosendung 189 passend formulierte Drosselkom, geht es einzig und allein um Monetarisierung. Was ist dran an den Argumenten?

Für die Engpässe bei Datentransfers im Internet gibt es keinen Beweis. Im Backbonebereich bestätigen zum Beispiel Sprecher des Internet-Knoten DE-CIX, das gerademal 6,25 Prozent der Bandbreite genutzt werden. Bis zu 40 Terabit/s seien möglich und derzeit werden zu Spitzenzeiten lediglich 2,5 Terabit/s verwendet. Die Backbones können also noch weit mehr Transfervolumen verarbeiten als heute benötigt wird. Welches Netz muss folglich ausgebaut werden? Die Telekom benötigt das Geld, um die letzte Strecke zu den einzelnen Hausanschlüssen auszubauen. Besser gesagt, um das Netz zu modernisieren, welches zum größten Teil der Steuerzahler damals in der guten alten Zeit, wo die Telekom noch 100% dem Staat gehörte, sowieso bezahlt hat. Aber ich unterstelle der Telekom einfach mal, dass es nicht um Netzaufbau geht. Denn mit der drastischen Geschwindigkeitsdrossel zielt die Telekom auf etwas ganz Anderes. Sie versucht damit, einen Aufpreis für Volumenpakete zu erzielen.

Stellen Sie sich vor, man kauft sich einen Porsche Panamera. Mit 300 km/h ist man auf den deutschen Autobahnen gut unterwegs. Nach 400 km zurückgelegter Strecke setzt auf einmal eine Drossel ein. Plötzlich kann das schöne Gefährt gerade mal 3 km/h fahren. Bei einem Anruf im Service sagt der Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung: „Für 1000 € kann ich Ihnen nochmals 100 km mit voller Geschwindigkeit für diesen Monat bieten.“ – Dieser Vergleich ist  für mich passend. Die Drossel regelt nicht runter auf eine Geschwindigkeit, bei der es noch annehmbar ist im Internet unterwegs zu sein, sondern macht das Internet, wie Clemens aus dem Podcast mobileMacs erklärt hat, „funktional kaputt“. Man versucht damit, Volumenpakete zu verkaufen, wie es bei Mobilfunktarifen schon üblich ist.

Ein weiterer Aspekt ist die sogenannte Netzneutralität. Bestimmte Dienste, wie der Telekom TV-Dienst Entertain, sind aus diesem Datenverkehr nämlich ausgenommen. Sprich, die Telekom verschafft sich hier einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Diensten, wie zum Beispiel Maxdome, Lovefilm oder Watchever. Damit verletzt sie das Prinzip der Netzneutralität. Die Verbraucherzentrale NRW hat die Telekom diesbezüglich schon abgemahnt.

Abschließend kann somit festgehalten werden, dass dieser Fall also mehrere Aspekte aufweist. Zum einen die Monetarisierung  mit der Einführung von Volumenpaketen und zum anderen die Benachteiligung von Vielbenutzern und Konkurrenzdiensten.

Am Anfang fragte ich, warum es sich lohnt, diesen Beitrag zu schreiben. Je mehr Leute im Netz darüber reden und je länger das Thema am Leben bleibt, gerät die Telekom unter Druck und muss von ihren Plänen Abstand nehmen oder das Thema wird für unsere rechtsstaatlichen Bediensteten interessant und das Prinzip der Netzneutralität wird endlich gesetzlich verankert.

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